Mittlerweile ist die erste Hälfte der ersten Staffel der „schwulen HBO-Serie“ „Looking“ bereits gelaufen, also wird es Zeit für einen Zwischenstand. Eine Review sozusagen, wie wir Journalisten (und TV-Fans) so g’scheit daherreden.
„Looking“ polarisiert, beinahe schon mehr als „Queer as Folk“ damals, die „andere schwule HBO-Serie“, mit der „Looking“ beinahe automatisch immer wieder verglichen wird. Was eigentlich unfair ist, denn die Serie rund um die drei schwulen Freunde Patrick (grandios: „Glee“-Star Jonathan Groff), Augustin und Dom zeigt viel mehr Parallelen zu solch Shows wie „Girls“, „Sex and the City“ oder „Hung“.
Während „QAF“ Anfang der Nullerjahre noch die politische Komponente und die innerliche Zerrissenheit vieler Schwuler thematisierte und das eine oder andere Klischee (Sex! Drogen! Party!) bediente, kommt „Looking“ betont unglamourös, betont unsexy (sieht man von den überaus gutaussehenden Hauptdarstellern ab) und betont unspektakulär daher. Zwar gibt es auch bereits in der ersten Episode einen Dreier, es wird im Internet gedatet und über die (angeblichen) Vorzüge von Latino-Männern gesprochen, aber das wirklich Aufsehenerregende der ersten beiden „Looking“-Episoden ist jene Szene, in der Augustin mit seinem Freund den Samstagabend auf der heimeligen Couch vorm TV verbringt – und beide keinerlei ernsthafte Absichten hegen, das Nachtleben unsicher zu machen.
Schon die Cruising-Szene im Park, die allerersten Minute der Serie, zeigen, wohin die Reise mit Patrick und Co. geht: Unerotisch und beinahe schon satirisch, gleichzeitig aber immer möglichst nah an der Realität, spielt sich das Geplänkel hinter den Büschen ab. Aufregend, aber mit zahlreichen Pannen. Auch schwule Männer haben nicht nur perfekten Sex, mehr noch: auch sie haben mit allerlei Peinlichkeiten und Probleme zu kämpfen. Diese Szene mit der ihr verpackten Message mag zwar etwas gar offensichtlich daherkommen, trifft aber den Nerv der Zeit.
Denn: „Looking“ ist durch und durch „post-gay“, wie viele US-Kritiker es so kreativ ausdrücken. Anders als noch vor wenigen Jahrzehnten ist Schwul-Sein zumindest in der westlichen Welt heute kein großes Ding mehr. Weshalb „Looking“ auch nicht in einem verschlafenen Kaff, sondern im aufgeklärten San Francisco spielt, wo die Homo-Ehe erlaubt ist und sich keiner nach zwei Händchen haltenden Männern umdreht. Anders als Brian, Michael und Justin kämpfen Patrick, Augustin und Dom nicht mehr um die ihnen zustehenden Rechte, sondern versuchen, das ganz alltägliche Leben zu meistern, das sich nicht immer allzu sehr von ihren heterosexuellen Mitmenschen unterscheidet.
Heute wird Schwul-Sein über weite Strecken nicht nur als „normal“ angesehen, sondern muss sich auch noch neben Kategorien wie Metrosexualität, MSM oder sogar Bisexualität (die erst seit Kurzem immer mehr Akzeptanz findet) behaupten. Anstatt also mit Coming-Outs schlagen sich Patrick und seine Freunde beispielsweise mit der Frage herum, ab wann denn ein Mann nun schwul ist – oder einfach nur „einer modernen Einstellung folgt.“ Wie sieht denn nun das neue Männerbild wirklich aus?
Steht der schnuckelige Typ (der sich dann blöderweise als neuer Boss entpuppt) nun auf Männer, weil er „dieses typisch schwule Lachen“ hat? Warum versteht das Gegenüber die sooo offensichtliche Anspielung, man spiele bei Computergames immer die weiblichen Figuren, einfach nicht?
Genau deshalb polarisiert „Looking“: weil viele Zuseher (und Kritiker) die Serie schlicht und einfach als „langweilig“ empfinden. Anstatt großen Dramen erleben wir in den ersten vier Episoden, wie Patrick zwischen Job und Liebe pendelt, wie Augustin Kunst macht, die eigentlich keine ist, und wie Dom sich auch emotional von seinem Ex-Lover verabschiedet (und ja, auch das passiert relativ ereignislos).
Das alles kann man mögen oder nicht, aber es ist vor allem eines: realitätsnah. Auch, dass bei den Figuren betont auf Thirtysomethings gesetzt wird und die potenziellen Lover eher in der Bär-, als in der Twinkecke anzutreffen sind, zeigt, dass „Looking“ zumindest versucht, neue Wege einzuschlagen und das eine oder andere Klischee abzulegen. Das klappt nicht immer, über weite Strecken aber präsentiert sich „Looking“ angenehm zeitgemäß. Es wird nicht das Schwul-Sein erzählt, sondern das Leben dreier Freunde. Und das ist, wie man selbst weiß, manchmal vor allem nur eines: unspektakulär. Aber deshalb noch lange nicht langweilig.
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