Manchmal wird ein Wunsch übermächtig. Er steuert das gesamte Tun und stellt alles Andere in den Schatten. Wie weit kann Liebe gehen, und wie weit darf sie gehen?
Der Liebesfaktor ist dabei hoch – höher noch ist aber der Leidensfaktor. Aber warum das so? Auch in der Liebe gilt: Die Menge macht das Gift. Braucht jemand die Liebe im Leben wie die Luft zum Atmen, kann das zur Sucht werden. Wenn du zum Beispiel alles für ein bisschen Liebe tun, in Beziehungen immer mehr investierst als du zurückbekommst und meistens enttäuscht wirst, kann es sein, dass dein Liebesbedarf das normale Maß sprengt. Psychologen nennen den übermächtigen Wunsch nach menschlicher Nähe Liebes-, Beziehungs- oder auch Bindungssucht.
Die dunkle Seite der Liebe
Liebessüchtige werden in Beziehungen zu regelrechten Klammeraffen, die den anderen kaum loslassen. Sie fixieren sich auf den Partner, bleiben krampfhaft am Ball, auch wenn der andere auf Distanz geht. Ist ein Liebessüchtiger gerade solo, setzt er alles daran, den nächsten Beziehungskandidaten zu finden.
Allerdings gestehen sich das Liebessüchtige meist nicht ein. Ganz im Gegenteil: Sie reden sich selbst die unglücklichste Beziehung schön. Je mehr sie aus vermeintlicher »Liebe« leiden, umso attraktiver erscheint ihnen der andere sogar. Aber was ist noch im Rahmen und wo beginnt die Beziehungssucht? Die Übergänge von »normaler« Liebe zu Liebessucht sind ziemlich fließend. Emotionale Abhängigkeit etwa, ein Merkmal der Liebessucht, entsteht eigentlich in jeder Beziehung und ist wichtige Basis für die Festigung der Paarbindung.
Gerade am Beginn einer Beziehung gilt es als Zeichen großer Leidenschaft, wenn man einander in jeder Hinsicht treu ergeben ist. Wer in den ersten Schmusewochen dem geliebten Gegenüber »Ohne dich kann ich nicht leben« ins Ohr säuselt, verleiht so vielleicht lediglich seiner tiefen Liebe Ausdruck. Wer aber tatsächlich ohne den anderen nicht mehr existieren kann und dafür allerhand erträgt, der hat die Grenze zur Beziehungssucht überschritten.
Kann denn Liebe schmerzhaft sein?
Viele Menschen denken, die Intensität ihrer Liebe ließe sich von ihrer Leidensfähigkeit ablesen: Nur wenn die Liebe wirklich groß ist, leidet man doch unter der Abwesenheit des anderen oder seiner unerwiderten Liebe. Ein fataler Trugschluss! Denn wahre Liebe hat nichts mit Leiden zu tun.
Sie ist frei, beglückend und nicht an Bedingungen geknüpft. Sie macht nicht krank und beruht auf Gegenseitigkeit. Natürlich sind auch hier Geben und Nehmen nicht immer völlig ausgewogen, auch wahre Liebe hat Höhen und Tiefen. Aber sie ist imstande, Unstimmigkeiten zu ertragen und den anderen loszulassen – Liebessüchtigen gelingt genau das nicht. Für sie wird der Partner zur Projektionsfläche für Gefühlsdefizite. Der eigene Selbstwert wird ausschließlich über ihn definiert. Das kann belastend für den Heißgeliebten sein. Aber vor allem der Beziehungssüchtige leidet darunter – bewusst oder unbewusst. Je weniger der andere die Liebe erwidert, umso größer wird das Bedürfnis des Liebessüchtigen danach – das sogar gesundheitliche Folgen haben kann.
Es geht nicht ohne deinen Schatz?
Liebeskummer überwinden: Es klingt so einfach und banal, und doch gibt es kaum etwas, das unmöglicher scheint, wenn das Herz einmal gebrochen ist.
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Psychologen kennen das Problem, unter Medizinern ist jedoch umstritten, ob es sich bei übermäßiger Liebe wirklich um eine Sucht handelt. Rein wissenschaftlich betrachtet ist der Begriff immer an einen stofflichen Auslöser wie Alkohol oder Drogen gekoppelt. Die Folgen von Beziehungssucht können jedoch denen einer Drogensucht ähneln. Depression, Schlaf- oder Essstörungen beispielsweise können gesundheitliche Konsequenzen sein, auch Alkohol- oder Medikamentensucht sind nicht selten.
Egal, wie man es macht, die eine Erkenntnis ist wichtig: dass jeder Mensch seinen ganz eigenen Wert besitzt, der ihn zu einem Individuum mit Rechten und Privilegien macht. Der eigene persönliche Wille ist eines der kostbarsten Dinge, die der Mensch besitzt. Man sollte es sich zweimal überlegen, diesen leichtfertig in andere Hände zu legen.
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