Dies ist keine Fortsetzung, sondern eine völlig andere, unabhängige Geschichte, die dennoch den selben Titel tragen könnte wie die erste.
Noch passender wäre der Titel "Heimkehr" gewesen, doch der ist bereits vergeben und müsste von Franz Kafka gestohlen werden...
Ein guter Morgen.
Ein schöner Morgen.
Ein Herbstmorgen, wie man ihn aus Bilderbüchern kennt.
Wer jetzt aus dem Haus tritt, dem fährt der Wind schneidend kalt ins Gesicht, er bringt den Geruch von welkem Laub mit sich und kündet von der baldigen Ankunft des Winters.
Einer ist vor die Tür gegangen, und er hat den Winter im Wind gerochen. Er bleibt für einen Moment stehen, bevor er sich umwendet und über die Schwelle zurück ins Innere kehrt.
Im Haus ist es still.
Denn außer seinem alleinigen Bewohner lebt hier niemand, der das alte Gebäude lebendig machen könnte. Die einzigen hörbaren Geräusche stammen von den alten Holzdielen, die protestierend quietschen, als er sich auf den Weg in die Küche macht. In letzterer angelangt, kommt nun ein zweites Geräusch hinzu: das leise Ticken der mächtigen Standuhr, die sich im Schatten einer Zimmerecke versteckt hält.
Der Hausherr entschließt sich, ein Feuer zu entfachen, doch noch ist der steinerne, offene Kamin, der sich von innen an eine der vier Außenmauern schmiegt, verrußt und kalt - schließlich ist es einige Monde her, dass in ihm ein helles, wärmendes Feuer brannte. Schuld daran war zweifellos der lange, heiße Sommer, dessen Hitze alle Gedanken an den kommenden Winter zunichte gemacht hatte.
Als endlich einige schwächliche Flammen gierig zwischen den eben aufgeschichteten Holzscheiten emporzüngeln, um das erste Feuer des Jahres zu werden, lässt sich dessen in die Jahre gekommener Schöpfer mit einem Ächzen in einen hölzernen Schaukelstuhl fallen. Sein verkrüppeltes Bein bereitet ihm wie stets Schmerzen, doch er ist an den Schmerz gewohnt und weiß mit ihm umzugehen, wie mit einem lästigen, doch guten Bekannten.
Gemächlich stopft der Alte einige Kräuter in seine Lieblingspfeife, und sobald sich weißliche Rauchschwaden in die Höhe zu winden beginnen, schaut er still und schweigsam in die Flammen. Die zerfurchte Stirn hat er dabei in Falten gelegt, so als ob er scharf über etwas nachsinne. Doch der Schein trügt, denn die sonst so wachen, blauen Augen starren ins Leere.
Wer den Menschen gut kennt und die äußeren Zeichen zu deuten vermag, weiß: hier sitzt einer, der wartet.
Und dieser Eine wartet seit dreißig Jahren.
Doch was geschah vor dreißig Jahren?
Nun...
vor dreiunddreißig Jahren fand Einer seine Liebe.
Vor zweiunddreißig Jahren bauten sie ein Haus.
Vor einunddreißig Jahren waren sie dann glücklich.
Doch vor dreißig Jahren, da begann der Krieg.
Und während ER ziehen musste, so blieb Einer, gesegnet und verflucht als Krüppel, im Schutz des neuen Heims zurück.
Zum Abschied sagte ER: "Sorg' dich nicht, im Winter bin ich wieder daheim."
Also verbot er sich, der Verzweiflung anheim zu fallen und wartete bis zum Winter.
Nachrichten trafen ein, Gerüchte von Lebenden, die man irgendwo gesehen hatte, und von Toten, die im Gefecht gefallen sein sollten.
Doch nie kam eine Nachricht von IHM. Und so wartete er, und verwünschte den Krieg.
Der nächste Winter kam.
Und ein Weiterer.
Und auch wenn die Winter nicht blieben, sondern zugunsten des Frühlings wichen, so ging mit jedem Winter ein Stückchen Hoffnung verloren...
Nach dreißig Jahren war nicht mehr viel davon übrig.
Doch im Herbst diesen Jahres wandelten sich die Schauermärchen, die sonst von den Schlachtfeldern die Ohren der Zurückgebliebenen erreichten, und plötzlich wurde wieder von Frieden gesprochen, man flüsterte von einem Waffenstillstand.
Es wuchs die Hoffnung auf Heimkehr.
Und nun, nach unzähligen Jahren des vergeblichen Hoffens, sitzt ein alter Mann schweigend auf einem Stuhl vor dem Kaminfeuer und wartet, während draußen der Wind um die Mauern heult und an den Fensterläden rüttelt.
Die Uhr tickt.
Das Feuer knistert.
Rauch steigt aus dem Schornstein.
Einsam und still steht das Häuschen auf dem weiten Feld.
Wäre der Alte nun vor die Tür getreten, so hätte ihm ein kalter, grauer Himmel entgegengeblickt.
In schwindelerregender Höhe hätte er eine Schar Raben entdeckt, die krächzend ihre Kreise ziehen.
Totenvögel, für jedermann ein schlechtes Omen.
Doch ihre Augen reichen weit über das Land, erfassen alles, was auf Wiesen und Feldern geschieht. Und jetzt haben sie in der Ferne eine Unregelmäßigkeit ausgemacht.
Ein schwarzer Punkt, der sich schleichend, aber zielstrebig fortbewegt.
Ein Mensch, der schnellen Schrittes über das raue Land marschiert.
Und wem jene hastige, von Ungeduld kündende Gangart bekannt ist, der weiß:
Dort geht einer, der ein Heimkehrer ist.
-------------
Vielen Dank an alle, die sich die Mühe gemacht haben bis zum Ende zu lesen!
Über Hinweise, Kritik, und/ oder einen Daumen nach oben würde ich mich freuen ;)
Ein schöner Morgen.
Ein Herbstmorgen, wie man ihn aus Bilderbüchern kennt.
Wer jetzt aus dem Haus tritt, dem fährt der Wind schneidend kalt ins Gesicht, er bringt den Geruch von welkem Laub mit sich und kündet von der baldigen Ankunft des Winters.
Einer ist vor die Tür gegangen, und er hat den Winter im Wind gerochen. Er bleibt für einen Moment stehen, bevor er sich umwendet und über die Schwelle zurück ins Innere kehrt.
Im Haus ist es still.
Denn außer seinem alleinigen Bewohner lebt hier niemand, der das alte Gebäude lebendig machen könnte. Die einzigen hörbaren Geräusche stammen von den alten Holzdielen, die protestierend quietschen, als er sich auf den Weg in die Küche macht. In letzterer angelangt, kommt nun ein zweites Geräusch hinzu: das leise Ticken der mächtigen Standuhr, die sich im Schatten einer Zimmerecke versteckt hält.
Der Hausherr entschließt sich, ein Feuer zu entfachen, doch noch ist der steinerne, offene Kamin, der sich von innen an eine der vier Außenmauern schmiegt, verrußt und kalt - schließlich ist es einige Monde her, dass in ihm ein helles, wärmendes Feuer brannte. Schuld daran war zweifellos der lange, heiße Sommer, dessen Hitze alle Gedanken an den kommenden Winter zunichte gemacht hatte.
Als endlich einige schwächliche Flammen gierig zwischen den eben aufgeschichteten Holzscheiten emporzüngeln, um das erste Feuer des Jahres zu werden, lässt sich dessen in die Jahre gekommener Schöpfer mit einem Ächzen in einen hölzernen Schaukelstuhl fallen. Sein verkrüppeltes Bein bereitet ihm wie stets Schmerzen, doch er ist an den Schmerz gewohnt und weiß mit ihm umzugehen, wie mit einem lästigen, doch guten Bekannten.
Gemächlich stopft der Alte einige Kräuter in seine Lieblingspfeife, und sobald sich weißliche Rauchschwaden in die Höhe zu winden beginnen, schaut er still und schweigsam in die Flammen. Die zerfurchte Stirn hat er dabei in Falten gelegt, so als ob er scharf über etwas nachsinne. Doch der Schein trügt, denn die sonst so wachen, blauen Augen starren ins Leere.
Wer den Menschen gut kennt und die äußeren Zeichen zu deuten vermag, weiß: hier sitzt einer, der wartet.
Und dieser Eine wartet seit dreißig Jahren.
Doch was geschah vor dreißig Jahren?
Nun...
vor dreiunddreißig Jahren fand Einer seine Liebe.
Vor zweiunddreißig Jahren bauten sie ein Haus.
Vor einunddreißig Jahren waren sie dann glücklich.
Doch vor dreißig Jahren, da begann der Krieg.
Und während ER ziehen musste, so blieb Einer, gesegnet und verflucht als Krüppel, im Schutz des neuen Heims zurück.
Zum Abschied sagte ER: "Sorg' dich nicht, im Winter bin ich wieder daheim."
Also verbot er sich, der Verzweiflung anheim zu fallen und wartete bis zum Winter.
Nachrichten trafen ein, Gerüchte von Lebenden, die man irgendwo gesehen hatte, und von Toten, die im Gefecht gefallen sein sollten.
Doch nie kam eine Nachricht von IHM. Und so wartete er, und verwünschte den Krieg.
Der nächste Winter kam.
Und ein Weiterer.
Und auch wenn die Winter nicht blieben, sondern zugunsten des Frühlings wichen, so ging mit jedem Winter ein Stückchen Hoffnung verloren...
Nach dreißig Jahren war nicht mehr viel davon übrig.
Doch im Herbst diesen Jahres wandelten sich die Schauermärchen, die sonst von den Schlachtfeldern die Ohren der Zurückgebliebenen erreichten, und plötzlich wurde wieder von Frieden gesprochen, man flüsterte von einem Waffenstillstand.
Es wuchs die Hoffnung auf Heimkehr.
Und nun, nach unzähligen Jahren des vergeblichen Hoffens, sitzt ein alter Mann schweigend auf einem Stuhl vor dem Kaminfeuer und wartet, während draußen der Wind um die Mauern heult und an den Fensterläden rüttelt.
Die Uhr tickt.
Das Feuer knistert.
Rauch steigt aus dem Schornstein.
Einsam und still steht das Häuschen auf dem weiten Feld.
Wäre der Alte nun vor die Tür getreten, so hätte ihm ein kalter, grauer Himmel entgegengeblickt.
In schwindelerregender Höhe hätte er eine Schar Raben entdeckt, die krächzend ihre Kreise ziehen.
Totenvögel, für jedermann ein schlechtes Omen.
Doch ihre Augen reichen weit über das Land, erfassen alles, was auf Wiesen und Feldern geschieht. Und jetzt haben sie in der Ferne eine Unregelmäßigkeit ausgemacht.
Ein schwarzer Punkt, der sich schleichend, aber zielstrebig fortbewegt.
Ein Mensch, der schnellen Schrittes über das raue Land marschiert.
Und wem jene hastige, von Ungeduld kündende Gangart bekannt ist, der weiß:
Dort geht einer, der ein Heimkehrer ist.
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Vielen Dank an alle, die sich die Mühe gemacht haben bis zum Ende zu lesen!
Über Hinweise, Kritik, und/ oder einen Daumen nach oben würde ich mich freuen ;)
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Sehr schöne Geschichte👍 Du stellst offenbar hohe Anforderungen an dich...und in meinen Augen erfüllst du sie vollkommen. Keine Ahnung, wie alt du bist, aber wenn du noch jung bist, glaube ich, dass du ein Talent hast, das du nutzen musst...wenn du schon älter sein solltest, tust du es ja vielleicht schon😉 Ich mag deine Geschichten...und die Hoffnung am Ende...ganz toll geschrieben, sehr berührend, wirklich gelungen
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