Wir leben in spannenden Zeiten. Vor wenigen Monaten hat die politische Landschaft in Österreich einen der größten Skandale der Zweiten Republik und infolgedessen das Scheitern der Ibiza-Regierung von ÖVP und FPÖ erlebt. Man könnte annehmen, dass der Wahlkampf, der auf eine solche Situation folgt, von inhaltlichen Debatten und harten Auseinandersetzungen um Ideen und Visionen geprägt wäre. Bisher ist er das leider nicht … und wann immer konkrete Vorschläge für die Zukunft der Menschen in unserem Land auf den Tisch gelegt werden, scheint die mediale Blase ganz bewusst in eine andere Richtung zu schauen. Diskutiert wird lieber über Anpatzerei, selbstgewählte Opferrollen oder mögliche Koalitionen.
Vergleichen wir die aktuelle Situation doch einmal mit dem Jahr 2017. Auch damals gab es einen harten Wahlkampf. Aber diskutiert wurde viel stärker über Themen, Inhalte und Ideen: Damals auch über die LGBTIQ-Community. In jeder Fernsehdiskussion wurden die Spitzenkandidat_innen im Spätsommer 2017 zum Beispiel gefragt, wie sie denn zur „Ehe für ALLE“ stehen. Heute frage ich mich, wo diese Diskussionen im Jahr 2019 geblieben sind. Es gäbe schließlich mehr als genug zu tun und wirklich genügend Themen.
Was kommt nach der „Ehe für ALLE“?
Seit bald zwei Jahren arbeite ich als einzig offener schwuler Abgeordneter im Nationalrat. Und spätestens seit dem VfGH-Entscheid über die Öffnung der Ehe werde ich von Journalisten immer wieder gefragt: „Wofür kämpft ihr denn jetzt noch?“ Dabei haben wir allein in diesem Jahr über mehr als genug wichtige Themen für die LGBTIQ-Community diskutiert: Von der Frage der sexuellen Bildung, über die Ehe für wirklich ALLE bis zum Verbot von Konversionstherapien, das wir nach hartem Kampf im Juli beschlossen haben.
Und ja, es gäbe noch viel mehr zu tun: Für die Selbstbestimmung von Trans*-Personen, den Schutz von intergeschlechtlichen Kindern, für LGBTIQ-Geflüchtete oder zum Beispiel beim Blutspendeverbot für schwule Männer. Aber der größte Brocken, der uns noch im Weg liegt, ist und bleibt wohl das Verbot von Diskriminierung auf allen Ebenen – das so genannte „Levelling Up“.
Schon seit 15 Jahren ist es in Österreich inzwischen verboten, dass wir aufgrund unserer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität im Job diskriminiert werden. Denselben Schutz gibt’s aber bis heute nicht im Privatleben. Es ist noch immer legal, dass wir aus einem Taxi geschmissen und aus einem Lokal verwiesen werden können oder dass wir eine Wohnung nicht bekommen, nur weil wir der LGBTIQ-Community angehören. Ist das gerecht? Nein! Es ist schlicht und einfach nicht zu akzeptieren.
Mit dem Regenbogen ins Gesetz und in die Verfassung!
Wir leben in spannenden Zeiten. In Zeiten, in denen die Gleichstellung und Vielfalt in Österreich und ganz Europa immer mehr unter Druck kommen. Deshalb wäre doch genau diese Frage – der volle Schutz vor Diskriminierung für ALLE Menschen in unserem Land –ein Thema, über das es sich zu diskutieren lohnt. Seit Jahren scheitern alle Versuche, diesen Schutz im Gleichbehandlungsgesetz festzuschreiben am Widerstand der ÖVP. Drei Beschlüsse wurden noch unter der Großen Koalition jeweils kurzfristig von der Volkspartei blockiert.
Genau deshalb argumentiere ich nicht nur für den Diskriminierungsschutz im Gesetz, sondern für den nächsten großen Wurf in der österreichischen Gleichstellungspolitik: Bringen wir den Regenbogen in die Verfassung! Artikel 7 der Bundesverfassung, im Juristen-Deutsch der „Gleichbehandlungssatz im B-VG“, schützt schon heute vor Schlechterstellung aus Gründen wie Geschlecht oder ethnische Zugehörigkeit in allen Bereichen der Gesellschaft. Es ist höchste Zeit, dass auch unsere Community sich dort wiederfindet.
Die LGBTIQ-Community steht in der Mitte der Gesellschaft. Wir sind Nachbarn, Eltern, Arbeitskolleg_innen, Freund_innen und haben dasselbe Recht auf ein sichtbares und selbstbestimmtes Leben wie ALLE anderen – das muss auch unsere Verfassung endlich widerspiegeln!
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