Von "Halbwüchsigen" kann nun wirklich nicht mehr die Rede sein: Teenager sind imponierende Erscheinungen – zumindest was ihre Körperhöhe betrifft. Innerhalb von 20 Jahren sind männliche Jugendliche im Mittel um zwei Zentimeter größer geworden. Im Vergleich zu den Jugendlichen vor 120 Jahren sind die heutigen Teenies um rund 15 Zentimeter größer. Ein Vorteil – oder eher ein Fluch?
Auf den ersten Blick scheint das Positive zu überwiegen: Groß gewachsene Menschen wie Basketballriese Dirk Nowitzki (2,13 Meter) nötigen ihrer Umwelt Respekt ab. Die berühmten "Langen Kerls" des preußischen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. wurden aus allen Teilen Europas nach Potsdam gelockt, um dort als Furcht einflößende "Abschreckungswaffe" zu dienen. Die als "Gardemaß" geforderte Mindestgröße von 1,80 Metern galt zu Beginn des 18. Jahrhunderts als extreme Rarität.
Heute wird das Gardemaß von jedem zweiten jungen Mann getoppt: Mit 20 Jahren messen heute 50 Prozent der Männer 180,2 Zentimeter und mehr. Etwas mehr als jeder dritte 20-Jährige ragt sogar 185 Zentimeter und mehr in die Höhe.
Um die menschengerechte Gestaltung körpernaher Umweltbereiche kalkulieren zu können, mussten deshalb die seit 1986 geltenden Normen Ende 2005 gründlich korrigiert werden. Nach der seither gültigen Norm sind 90 Prozent der Frauen zwischen 153 und 172 und 90 Prozent der Männer zwischen 165 und 185 Zentimetern groß.
Mit 14 Jahren so groß wie Frauen vor 50 Jahren
Schon im frühen Kindesalter schießen Kinder mehr in die Höhe als früher, die Größenzunahme hat sich jedoch etwas verlangsamt. Sieben- bis zehnjährige Kinder sind heute einen bis 1,5 Zentimeter größer als noch in den Siebzigern. Schon mit 14 Jahren sind Mädchen so groß wie eine ausgewachsene Frau vor 50 Jahren.
Schießt ein Junge in die Höhe, sehen das seine Eltern meist mit Wohlgefallen. Größe gilt als männlich. Was sich später, statistisch betrachtet, in barer Münze auszahlt: Erhebungen zufolge geht jeder zusätzliche Zentimeter mit knapp 0,6 Prozent mehr Bruttomonatsgehalt einher. Bei zwei ansonsten gleich qualifizierten Männern, die sich in ihrer Größe um zehn Zentimeter unterscheiden, schlägt der "Höhenvorteil" des größeren übers Jahr gerechnet mit etwa 2000 Euro zu Buche.
90 Prozent aller Jungs in Deutschland und Österreich sind zwischen 165 und 185 Zentimeter groß
Zwei Methoden zur Körpergrößenprognose
Zur Vorhersage der späteren Endgröße ist eine Bestimmung des biologischen Alters notwendig. Dieses "Skelettalter" ist nicht immer identisch mit dem Lebensalter des Kindes. Die Reifestufe lässt sich anhand einer Röntgenaufnahme der Handwurzelknochen der linken Hand feststellen. Anhand einer Tabelle wird dann ermittelt, wie viel Wachstum noch zu erwarten ist. Die Trefferquote liegt zwischen 70 und 80 Prozent.
Wesentlich ungenauer, aber leichter auszurechnen ist die Faustregel, mit der sich die durchschnittliche spätere Größe eines Kindes aus der Größe seiner Eltern abschätzen lässt. Für Jungs lautet sie: (Körperlänge Vater plus Körperlänge Mutter) mal 0,5 plus sechs Zentimeter.
Beulen am Kopf und Hochwasserhosen
Hänseleien kommen heute zwar seltener vor. Große Menschen stoßen allerdings im Alltag immer häufiger auf Probleme: In Hotels sind die Betten zu kurz, Stühle und Tische sind zu niedrig, Küchenarbeit wird durch zu niedrige Arbeitsflächen zur Qual, Sitze in Bahnen und Flugzeugen sind zu eng.
Erst recht frustrierend fällt der Kauf von Kleidung aus: Die Frauenmode wird zwar in relativ kurzen Abständen den neuen Körpermaßen angepasst, die Maßtabellen für die Herrenbekleidung basieren jedoch immer noch auf Messungen aus den 60er-Jahren. T-Shirts, Jeans, Anzüge und Kleider in passender Größe sind selten vorrätig. Sportschuhe werden zwar auch in großen Größen angeboten, modische Schuhe sind jedoch ab Größe 45 kaum zu finden.
Ein kleiner Trost: Große Jungs werden meist nicht so plump angebaggert wie die anderen.
©Axel Springer SE 2014
als ob größere Typen mehr verdienen???
melden