Wo Deutschlands wohl berühmteste Dragqueen Olivia Jones auftaucht, ist sie sofort ein Hingucker. Mit ihren zwei Metern Körpergröße und stets auffälligen bunten Kostümen, Perücken und High Heels sticht die Wahlhamburgerin auffällig aus der Masse heraus.
Längst hat sich die politisch engagierte Künstlerin, die in Springe in der Region Hannover aufgewachsen ist, ihren Platz in der Unterhaltungsbranche gesichert. Zudem hat sie in den vergangenen Jahren erfolgreich eines kleines Jones-Imperium auf der Reeperbahn aufgebaut. Am 21. November wird Jones 50 Jahre alt – und hat schon jetzt ihre jugendlichen Träume erfüllt.
Olivia Jones denkt noch lange nicht ans Aufhören
Schluss sei deshalb noch lange nicht, sagt die Entertainerin resolut. „Diesen Satz muss ich jetzt immer häufiger über mich lesen: ‘Olivia Jones denkt noch immer nicht ans Aufhören!’ Was ist denn das für ein Satz? Das klingt ja, als wäre ich 90 oder so“, sagt Jones.
Außerdem mache sie gerade genau das, was sie immer tun wollte. „Das ist meine Berufung. Ich werde das mit 80 und 90 noch machen, ob das Publikum will oder nicht!“
Ihrer Familie war es „furchtbar unangenehm“
Jones war es früh klar, dass sie auf die Bühnen einer Großstadt möchte. „Ich bin ja schon aufgetreten, als ich noch zur Schule gegangen bin und hatte immer so abenteuerliche Outfits an.“ Ihrer Familie war es zunächst vor allem „furchtbar unangenehm“, dass Jones in Frauenkleidern auftrat.
„Ihnen wäre es lieber gewesen, wenn ich Versicherungskaufmann geworden wäre. Ich als Versicherungskaufmann? Ich hätte wahrscheinlich nicht eine Versicherung verkauft!“
Heute sieht ihre Familie das anders: „Jetzt sind alle ganz stolz. Und komischerweise waren die, die damals die blödesten Sprüche gemacht haben, die ersten, die ein Autogramm haben wollten“, sagt Jones und lacht dieses sympathische donnernde Lachen.
1997 wurde sie „Miss Drag Queen of the World“
Angefangen habe sie schließlich mit 18 Jahren in kleineren Bars in Hamburg auf St. Pauli. „Das war auch eine andere Zeit, das war damals noch deutlich schwieriger. Damals gab es ja noch keine Vorbilder.“ Gleichzeitig sei sie damals aber auch sehr sorglos gewesen.
„Mein Ziel war einfach, davon irgendwann leben zu können. Ich wollte nicht berühmt werden, sondern mich ausleben und in meinem Leben den größtmöglichen Spaß haben“, sagt Jones. Bald hatte sie ihre eigene Show im Theater „Schmidt Tivoli“ und wurde in Hamburg ein Star.
International machte Jones als „Miss Drag Queen of the World“ von sich reden. 1997 gewann die Wahlhamburgerin in Miami diesen Titel. Ihr Erfolg verschaffte ihr mehr Engagements, mehr TV-Präsenz, Durchsetzungskraft auf der Reeperbahn und mehr Berühmtheit. Das mündete 2008 in ihre erste eigene Bar in der Großen Freiheit.
Nest für Paradiesvögel
Noch heute wird in der Schlagerbar allabendlich gesungen, geschunkelt und gefeiert. Vier weitere Clubs und Bars hat sie gleich nebenan eröffnet. Zudem bietet sie Kiezführungen an sowie Hafen- und Stadtrundfahrten.
Jones hat eine Familie aus Freunden um sich vereint. Etwa 100 Menschen zählt das Team der „Olivia Jones Familie“ mittlerweile. Sie sei sehr stolz, dass sie damit vielen Paradiesvögeln ein Nest und auch eine Plattform gebe.
Jones: „Ich bin eine Queen ohne Reich“
Ein kleines Imperium? Jones wiegelt ab: „Ich werde vielleicht ‘Königin von St. Pauli’ genannt, bin aber eine Queen ohne Reich. Im Gegensatz zu vielen anderen, habe ich meine Bars und Clubs nur gemietet. Das vergessen viele.“
Sie sehe sich auch in einer besonderen Verantwortung: „Wir versuchen immer auch, ein Stück vom alten St. Pauli in die heutige Zeit zu retten, durch kreativen Denkmalschutz und Projekte wie unsere kostenlosen Kieztouren zum Tag des offenen Denkmals.“
Sie liebt auch die Anonymität als Mann
Jones arbeitet nicht nur in und für St. Pauli. Sie wohnt hier auch seit 30 Jahren und läuft meist alle Wege zu Fuß. Dabei ist sie natürlich nicht immer als Olivia Jones unterwegs. Bis zu zwei Stunden dauert es, diesen Teil ihres Lebens mit Make-up, Perücke und Kostüm zu perfektionieren.
„Ich habe ein tolles Doppelleben, das ich sehr genieße.“ Gleichzeitig aber liebe sie auch die Anonymität als Mann. „Ich habe schon diesen Selbstdarstellungstrieb, den ich gern auslebe. Aber den muss ich nicht 24 Stunden haben.“
Für eine bunte Republik, Offenheit, Aufklärung, Vielfalt und Toleranz setzt sie sich seit Jahren in beiden Leben ein. Dafür wird Jones von vielen Seiten geschätzt. „Sie hat keine Villa in Irgendwo und greift dann hier nur ab, sondern sie lebt hier und hilft den Menschen, die hier leben“, sagte Reeperbahn-Quartiersmanagerin Julia Staron kürzlich. „Das finde ich richtig gut.“
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